Samstag, 26. Februar 2011

mir einen namen zu machen, heißt, nicht als unding dingfest gemacht werden zu können

nicht dass ich das spiel mit den pseudonymen nicht kännte; nicht wüsste, dass man hinter masken und in verstecken wahrer sein kann, als sich das die biederen vorstellen können. die mit ihren fassaden und ihrem kopfschütteln über die anderen und ihrem verdikt, man müsse scheinen, was man ist, ist das wohnzimmer nur sauber, ist auch das herz keine mördergrube. name, vorname, jawoll, wie beim militär oder bei schülern. sagen Sie, wie Sie heißen, wer Sie sind usw. man kann sich hinter nichts so sehr verstecken, wie hinter der wahrheit. dali dixit. man kennt sie, die nassforschen und altklugen, die noch nicht trocken hinter den ohren sind, die in einen raum kommen, als habe der schon immer ihnen gehört. sie steuern dich an und präsentieren sich, als wiesen sie sich als die einzig rechtmäßig anwesenden aus. man selbst gerät in die defensive. man beginnt zu denken. man macht sich gedanken. vielleicht schreibt man sie später auf, anstatt sie ins kissen zu sprechen oder in den bierschaum des fünften biers an der theke, zu einem zeitpunkt, wenn endlich jeder der anwesenden so bei sich, so abwesend ist, dass ein außersichgeraten nur mehr der übliche krawall zu dieser üblichen zeit ist. ach, das ist wieder nur der soundso. ach, der. ach, hätte man jetzt nur ein pseudonym, man fühlte sich am nächsten morgen nicht so nackt. auch wenn man gar nicht in der kneipe war. wenn man gar nicht mehr trinkt. wenn man noch nie in seinem leben randale gemacht hat. wenn man nur jemand ist, mit einer leere irgendwie in dem, was man die eigen person nennt, und dorthin wurde früher einmal ein namen geklebt, der das eigene markieren soll. mir war dieser name immer fremd. ich habe ihn akzeptiert, weil ich akzeptiert habe, dass man dinge irgendwie benennen muss. bin ich ein ding? ein in die welt gesetztes ding, das seinen namen hat, damit ich darauf höre und zu keinem unding werde? wenn manchmal jemand au schreit, denke ich, man habe mich gerufen. hi, ich bin da. ich bin kein unding. ich höre. ich komme. was gibt es? aber es war nichts. meine eltern haben mich bei meinem namen nie anders gerufen als ein unding. meine geschwister taten es ihnen gleich. und ich war bis vor wenige monate nicht anders. (bis mich meine schüler und meine analytikerin eines besseren belehrten. hier musste ich sprechen und nicht gefälligen laut geben). wie hätten wir es besser wissen sollen? klaus, mach dies nicht. mach das nicht. was hast du jetzt wieder gemacht. klaus, melde dich. klaus sprich. aber bitte so, dass wie es verstehen. meine mutter zählte immer erst die namen meiner geschwister auf. der letzte name war der meine. ich hatte gelernt, darauf zu reagieren. ich füllte diesen namen nicht aus, es wäre eine anmaßung gewesen. er war dazu da, dass man ihn rief. um mich zu rufen. um mich zu mahnen. weil ich mal wieder kein ding war, das folgsam sich eingefügt hat, sondern das sich zum unding gemacht hat und nun zur räson gerufen werden musste. das aussprechen meines namens war die folge einer schuld. ich hatte mich zu rechtfertigen. oder mich schlicht zu melden. er war nicht das ziel, zu dem hin eine person sich öffnete. zu diesem markierten ort ging man nicht hin. meine eltern nicht. meine geschwister nicht. diesen markierten ort, dieses markierte ding rief man auf. mein name war die manifeste mahnung, herzukommen bzw. bis zum nächsten aufruf dort zu bleiben, wo der pfeffer wächst. doch niemand hatte mir je erkärt, wo der pfeffer wächst. komm, sitz. gib laut. mir einen namen zu machen, bedeutete also un-bedingt jemand zu werden. es hatte eine gewisse dringlichkeit. denn ich wollte nicht vergessen, dass da vielleicht noch eine andere möglichkeit besteht, einen namen zu haben. dass er mich benennt, nicht als unding, sondern als person, der man etwas zu sagen hat. der man zuhört. die man nicht ruft, damit das unding hört und dingfest gemacht wird. mir einen namen zu machen, heißt, nicht dingfest gemacht werden zu können. es ist gerade nicht der soldat, der angeschrieen antwortet: buchheit, klaus. der nicht in der bringschuld ist, zu hören, wenn man ihn ruft. ja, ich komme. ja, ich mach ja schon. ja, ich bin bei fuß. Sich einen namen zu machen heißt, keinen hundenamen zu tragen. Ein pseudonym würde bei mir das problem nicht lösen.
lieber beam
es ist ungewohnt, dich so zu nennen. es erinnert mich an den schönen schweizer namen beat. oder an beam me up, scotty. be-am hat einen balsamischen klang. beam me up ist die optische täuschung des gelesenen und unausgesprochenen. beam gibt lust, diesen namen laut zu sprechen, da er still gelesen zu beam me up wird. aber er ist ein nom de plume, ein namen für die schrift. er ist gut gewählt, er weißt über sich hinaus. er ist poetisch. es ist ein namen, der sich einen namen machen will, der nachgesprochen sein will. wer schreibt, will sich einen namen machen. sich einen namen machen, heißt poetisch werden. egal was du sagt. das poetische soll über sich hinaus weisen. es trägt die lust in sich, gesprochen / besprochen zu werden. man will ihm antworten. es ist nicht das unding, das man zur räson ruft, selbst wenn man es als ein geschriebenes kritisiert und in seiner blamabilität bloß stellt. der poetische text hat immer schon zu viel gesprochen, als dass er zu einem umding werden könnte. jede kritik ist schon ein zuruf und eine zusprache. in ihnen hat der text schon das, was er will: zeit genommen. Nicht weggenommen, sondern im sinne von: ich nehme mir die zeit. er ist diese genommene zeit. er ist nicht nur ein augenblick, der jetzt schon vergangen ist. im poetischen text mache ich dieses angebliche unding, das ich sein soll und dem keine zeit zugesprochen wird, weil es stört, das lediglich bei aufruf laut geben soll, zu einem lebendigen, das seine zeit hat. der text gewinnt an leben. die, die ihn schreiben, und die, die ihn lesen, gewinnen an leben. sie nehmen sich die zeit. lebenszeit. der poetische text, der so tot wirkt, ist immer ein stück leben. sich mit ihm einen namen zu machen, heißt dem tod ein stück zeit wegzunehmen. heißt dieses stückchen zeit dem leben zu geben. sich einen namen zu machen heißt, sich zeit zum leben zu geben, vielleicht sogar über den tod hinaus. wer schöpft, zeugt, gebärt, zur welt bringt oder wie die ausdrücke fürs schaffen des poetischen alle heißen mögen, nimmt sich die zeit, leben zu geben. im zeitnehmen schaffe ich ein eigenes. dieses eigene kann ich benennen. mit einem namen. einem eigennamen. das heißt es, sich einen namen zu machen. es bleibt dabei sehr gleichgültig, ob es derjenige ist, den man als kind bekommen hat, oder der, den man sich selbst gegeben hat. wichtig ist, dass er dazu da ist, sich die zeit zu nehmen, die es braucht. dass es nicht der ruf ist, der im anschrei mir die zeit nimmt, dass mir alles aus den händen fällt und ich mich augenblicklich schuldig fühle am leben zu sein. so dass ich nichts als defizite spüre. als eine zu unrecht markierte leere. sicherlich, der anschrei gibt den eindruck, man sei nicht allein. wie viele kaschieren damit ihre einsamkeit. mach dies nicht. mach das nicht. nicht dahin. nicht dorthin. ist das nicht der dialog so vieler paare? es kommt mir so bekannt vor. wie oft habe ich selbst diesen dialog in szene gesetzt. war teil davon. aufgebracht. wütend. unfähig zu streiten. nur fähig, diesen dialog gewissermaßen zu beten. lieber gott - stell das hin - mach, dass - du hörst mir nie zu - ich nicht so - du liebst mich nicht - allein bin - wie du rumläufst - lieber gott - wenn du so weiter machst - bitte mach - dann werde ich dich - dass sie bleibt - verlassen. und gewiss, da ist jemand. jemand, der mich ebenso beim namen ruft: mach dies nicht, mach das nicht. der nicht streitet, sondern jeden streit in der erpressung unterbindet. da war sie wieder die kindliche seligkeit der unseligkeit. der schuld. die als vorgeworfene doch wenigstens wie ein leckerer knochen erscheint. fresschen wie bei muttern. reingefressen bis zum übergewicht, um standfestigkeit zu kriegen. aber mit jedem angefutterten kilo verflog ich mehr und hatte um so weniger einen namen. in den zeiten dieses dialoges hatte ich mir viele andere namen gegeben, unbefleckt von den schuldvorwürfen, ein unding zu sein. ihre reaktion: das ist doch ein unding, was du da tust. wie oft habe ich diesen satz gehört. gerade wenn ich mir einen namen machen wollte. wenn ich also schrieb. dann lautete der satz so: schreib mal was, das sich verkauft und uns reich und berühmt macht. wenn also mein namen nur bedeutete: hör auf. mach etwas vernünftiges. wieso kannst du nicht wie die sein, die in einem büro arbeiten, an einem computer, sich für sport interessieren und zu hause eine frau haben, die fürs dekorative zuständig ist und sich ihre migräne damit verdient, dass sie permanent versucht dafür zu sorgen, dass aus dem musterkind kein unding wird. ob man den namen schreit oder damit in hundeflüstererart das hundeohr flattiert, bleibt sich gleich. in diesem melodrama zeigt der eigennamen an, wes ding man ist. sonst nichts.
sicherlich habe ich mir im unterricht einen namen gemacht. aber das ist etwas anderes. wer schreibt, will ewigkeit, will öffentlichkeit. er will dem tod ein schnippchen schlagen, der ungerechtigkeit, der unwahrheit. schreiben ist anschreiben gegen den blanken positivismus, für den worte nicht mehr bedeuten als dass man, wenn man sagt "gib mir das salz", das salz geben soll. dieser positivismus ist die verleugnung der zeugenden kraft, die sich im sich einen namen machen benennt. in der bezeugung erhebt sich die welt über den katalogcharakter, den autokraten gerne, ach so gerne hätten, weil er ihnen erlaubt, unbequemes, undinge, auszurangieren und zu entsorgen. wer unterrichten will, muss sich schon auf die eine oder andere art einen namen gemacht haben. er muss etwas zu sagen haben. er muss von der einsamkeit sprechen können, die ermöglicht, andere anzusprechen, weil wir gerade nicht mit ihnen verschmolzen sind, zb im bild eines autokraten oder in der bannbulle einer idee. Nur wer den unterricht nicht dazu benutzt, sich einen namen zu machen, eine gruppe nicht in seinem namen zu vereinen, sie nicht zu einer idee zu verschmelzen, sie nicht als unding zu betrachten, die von anfang an in der schuld steht, die sich nicht vom ersten aufruf an: wie heißen Sie? schuldig fühlen soll und gefälligst dankbar, der hat das zeug dazu zu unterrichten. ich sage nicht, dass ich das zeug dazu habe. gott bewahre. nur manchmal will mir scheinen, dass es mir ein bisschen gelungen ist. im unterricht ist die einsamkeit geringer. die meiner schüler, die aus anderen ländern kommen. die eine heimat verlassen haben. und geringer ist auch meine einsamkeit. die klasse ist eine zusammenkunft derer, die sich einen neuen namen gemacht haben. dort, wo sie herkommen. dort heißen sie jetzt die, die gegangen sind. hier. hier heißen sie die, die dazu gekommen sind. die zugereisten sagt man in bayern. mit diesem neuen namen, den sie sich gemacht haben, kommen sie in den unterricht. hier machen sie meine einsamkeit geringer. das klingt sehr selbstisch. aber wer nur an andere denkt, ist nie bei sich. wer nicht bei sich ist, ist außer sich. wer außer sich ist, spürt die einsamkeit der anderen nicht. er sieht in ihnen nur dinge, die er für ein unding hält. die er anschreien muss: so nicht! ich bin lieber bei mir und spüre etwas. manchmal muss man weggehen, um bei sich zu sein. so bei meinen schülern. so bei mir, der ich ebenfalls ein zugereister bin. auf dieser basis des selbstischen ist etwas möglich, was so oft zum unding wurde: glück. wie oft sollen wir glücklich sein. reflexhaft sollen wir sagen, dass wir glücklich sind. hier ist das nämliche aufrufen wie beim hundenamen: glück! ja? was machst du? nix! schäm dich! ab in die ecke. wie oft müssen wir in der ecke stehen und glücklich sein, d.h. die fresse halten. schweigen. gehorchen. gute miene zu bösem spiel machen. das glück, das ich meine, ist ein anderes. es ist eins, das spricht. auch ohne viele worte. aber immer in poetischen worten. ich habe mich entschieden, sprache zu unterrichten, weil dieser unterricht bei obigem bösem spiel nicht mitmacht: er stellt nicht in die ecke, er bringt sprechen bei. auch wenn die ämter das nicht so gerne als meine aufgabe sehen. aber sollen die ämter nur rufen, zur räson rufen, rufen, das ist ein unding hier, was du da machst, rufen, um der geschichte ein ende zu machen. meiner geschichte. meinem namen. wir wissen aber, nicht wahr, mein lieber beam, dass je mehr wir uns einen namen machen, umso mehr geht die geschichte weiter.

1 Kommentar:

  1. Ich hatte nie das Gefühl, dass es wichtig ist, sich einen Namen zu machen, vielleicht, weil ich mit meinem Namen sehr zufrieden bin. Aber ich finde mich in deinen Worten wieder, in deinen Gedanken und Sehnsüchten, denn manchmal ist ein Name, der einem selbst gefällt eine noch größere Last, ich habe einen sehr schönen Namen, aber die Frage ist, werde ich diesem so wunderschönen Namen gerecht? Erwartet man beim Hören meines Namens nicht einen wunderschönen, großartigen Menschen? Ist es dann nicht sehr ernüchternd, wenn man die Person zum Namen kennen lernt, sieht? Werden dann nicht all die Vorstellungen, die man sich aufgrund des wunderschönen Namens gemacht hat, zerstört? Bin ich als Person eine Zerstörerin von Vorstellungen?
    Ist es da nicht besser aus deiner Richtung zu kommen? Ein Name, wie es ihn so oft in Deutschland gibt, ein Name, den viele tragen, der nicht unbedingt sofort anregt sich etwas Großartiges vorzustellen? Es gibt keine Enttäuschung, man wird eher überrascht sein, was einer mit so einem normalen Name für Fähigkeiten hat, solch ein Können…
    Ich wurde in meiner Schulzeit nicht mit meinem vollständigen Namen gerufen, mein Name wurde gekürzt, das ist ja immer so ein Unding, man gibt sich nicht gern die Mühe zu lange Vornamen ganz auszusprechen, lieber machen wir daraus einen Spitznamen. Einen Namen, der also spitz ist? Ist etwas Spitzes nicht immer auch etwas gefährliches, etwas, das verletzen kann? Mich hat mein Spitzname, der mir gegeben wurde, viel mehr verletzt als die Tatsache, dass ich mir einen Namen machen möchte, denn ich hatte ja schon einen Namen, einen wunderschönen, meiner Meinung nach. Aber meine Schulkameraden nannten mich anders. Und trotz meines Unbehagens war es mir nie möglich diese Tatsache zu ändern. Ich erhielt meinen Namen von meinem Lehrer, dem Plonnerus ferus, meinem Lateinlehrer. Wie konnte ich mich dagegen wehren? Gegen einen Lehrer, den wir alle mochten, liebten, der so viel wusste und mir einen neuen Namen geben wollte. Ich erinnere mich, es war auf unserem Wandertag in der fünften, wir marschierten in Wäldern über Hügel zu einem Bach, grillten und Welt war wunderschön, und ich wurde umgetauft, ich erhielt einen Namen, der mich in meiner ganzen Schulzeit begleitete. Und dann lebte ich in einer Art Diglossie, denn unter dem mir gegeben Namen entwickelte ich auch eine andere Sprache, ich sprach Hochdeutsch, für ein Gymnasium war das wohl angebracht. Zuhause sprach ich weiterhin in unserem bayrisch-schwäbisch angefärbten Deutsch. Ich habe mich nie so richtig wohl gefühlt mit dieser Situation. Ich suchte nie nach einem Namen. Ich hatte ja zwei. Ich suchte nach mir. Ich bin immer noch auf der Suche.
    Ist es nicht auch eher so, dass man sich einen Namen machen will, weil man auf der Suche nach sich selbst ist? Auf der Suche, sich auf dem Umweg von Außen Innen zu finden?

    AntwortenLöschen