Doch alle Lust will Ewigkeit. Und ich versuche mit dem Rauchen aufzuhören. Lust will Lust auf alle Ewigkeit. Sie will sich selbst. Sie ist das Medium und die Botschaft. Sie will keine Erkenntnis. Sie zielt auf nichts anderes. Nicht auf Sex. Nicht auf Körperlichkeit. Nicht auf Liebe. Nicht auf die Seele. Nicht auf Seligkeit. Sie ist die Illusion des Paradieses. Sie ist wie eine Fernsehserie. Lust ist eine Serie. Ist Rauchen. Ist wie Heimkommen zu Mama und Papa. Zu ihnen ins Bett kriechen, unter die Decke, und alles ist wieder gut. Die Geheimnisse sind nicht gelüftet. Nichts ist erkannt. Alles ist das, was es ist. Wir sind von ihnen nicht getrennt. Wir haben uns nicht erkannt. Alles ist eins. Selbst du bist Teil von mir. Du bist ich und nicht-ich. Das macht keinen Unterschied. Was soll's. Es gibt keine Erkenntnis. Es gibt nur Lust. Es gibt nur das Medium als Botschaft. Wie in den Fernsehserien. Ich schaue gerade Mad Men. Eine amerikanische Serie, die in den frühen 60ern in New York spielt. In der Werbebranche. In dem Medium, das alles verspricht und seinen Botschaftern deswegen alles erlaubt, wenn sie nur die richtige Botschaft bringen. Und die Botschaft sind sie selbst. Ihre ewige Lust, die ihre ewige Angst negieren soll. Dass sie nicht sind, was sie sind. Eine der Protagonistinnen sagt es bereits in der ersten Staffel. Sie sei nur das Medium. Und das Medium sei die Botschaft. Sie ist eine rothaarige, kurvenreiche, sexy Sekretärin, die das verlogene Spiel der 60er zu spielen weiß. Die Spielregeln: Sexismus. Rassismus. Antisemitismus. Alkoholismus. Hypokritizismus. Verlogenheit. Dummheit. Untreue. Lieblosigkeit. In der Hoffnung auf: Sex. Stolze Rasse. Auserwähltheit. Rausch. Heiligkeit. Wahrheit. Klugheit. Loyalität. Liebe. Man raucht. Man trinkt. Offen im Büro. Die Flasche steht demonstrativ auf dem Tisch. Zwei Kollegen prügeln sich. Der Chef sieht es. Reagiert aber nicht, denn dass Männer sich prügeln ist so normal, wie der Wodka im Orangensaft das Frühstück pur ist und wie die Zigarette der Hochschwangeren das ungeborene Leben auf das geborene vorbereitet. Das Medium ist die Botschaft. Eine Kritik sagt, die Serie wolle nur provozieren. Aber die Serie hat nur eine Aufgabe: Seriell zu sein. Sich als Ewigkeit und Lust zu entfalten. Wir sind dabei. Wir sind drin. Wir spüren mit den Helden, mit zum Beispiel besagter Sekretärin, dass etwas nicht stimmt. Nach dem Gesetz der Serie, das sie ausspricht, dürfte sie es nicht aussprechen. Sie dürfte diesen kurzen Einriss des Tragischen in die Lust nicht aussprechen. Das Tragische ist doch der Grund, warum wir die Serie kucken. Es wird auf ewig nach vorne verschoben. Eva wusste, dass im Paradies etwas nicht stimmen konnte. Wozu sonst ein Baum der Erkenntnis. Es fehlte etwas. Es fehlte die Zeit. In der Zeit gibt es Sex & Crime. Opferfeste. Liebe. Tragik. Lust, die Ewigkeit will. Die Lust beruht auf einer Lüge. Sie kann sich nicht selbst zeugen. Sie wird durch eine Erkenntnis gezeugt, die sie verleugnen will. Der sie permanent entgegen hält, ich allein, das Medium, ich bin die Botschaft. Ich bin die Lust und du gehörst zu mir und mehr brauchst du nicht zu wissen. We are family. Wie zur Zigarette kehrt man zur Familie zurück. Man klingelt an der Haustür der Verwandtschaft an, wie man sich den kosmischen Kick mit der Heroinspritze in die Venen schießen will. Alles soll vergessen sein. Don't look back, angel. Die Zeit wird im Überschritt der familiären Schwelle aufgehoben. Und doch sind wir keine Engel und könne nicht anders, als immer wieder zurück zu blicken. Zu erkennen. Wie die Sekretärin der Serie, die doch das Spiel am perfektesten beherrschen will, müssen wir die Wahrheit aussprechen. Im Überschritt der Schwelle ist der Familienzwist schon im Gange, egal ob der Besuch ein angenehmer wird oder ob alle Wunden aufbrechen. Egal was wir uns in unseren Tagebüchern vorlügen. Egal wie wir unsere Berichte beschönigen. Wie war's? Toll war's. Die Welt war wieder heil. Die Welt war wieder gut. Keine Sorgen. Miete, Arbeit, Kinder, Ehefrau, Ehemann, Kinder, Singledasein, Einsamkeit, Arbeit, Geld, Freizeit, Arschlöcher, Freunde, die eigene Figur, der Rücken, die Verliebte, der Verliebte, die Liebe. Alles war wieder heil. Vergessen Papa, der dich weggab, so dass du bereits die Hälfte der männlichen Menschheit in dem Bett hattest, das du täglich frisch beziehst, damit es jungfräulich bleibt und du mit ihm. Vergessen Mama, die jeden Schritt mit ihrer Liebe kontrollierte, dass du noch nicht mal im Schlaf schreien kannst und schon dreimal um die Ganze Welt geflüchtet bist, so dass du doch immer wieder genau hier raus kommst. Vergessen Papa, der einfach nur lieb war. Jetzt starrt er im Heim vor sich hin. Vergessen Mama, die einfach nur lieb war. Aber keiner weiß, warum sie nachts in ihr Kissen heult. Und lasst uns die perfekten Kinder der Eltern, die alles richtig gemacht haben, auch ganz schnell vergessen. Denn diese Kinder strotzen vor Arroganz und Ignoranz und werden nie von uns wissen. Sie haben nichts zu vergessen, da sie nie wirklich etwas erkannt haben. Sie haben das Paradies nie verlassen. Sie irren als paradiesische Gespenster durch die Welt. Von ihnen ist nicht mehr zu kriegen als ein kurzer, kalter Schauder und die ewige kalte Schulter. Sie sind stets Absage. Sie sind der Rauch, der nicht hält, was er verspricht. Weil er nichts verspricht, als was er ist. In ihm ist keine Wahrheit. In ihm ist nur Rauch. Und wie der Rauch in der Lunge setzen sie sich in der Seele fest und färben sie schwarz. Aber ich will nicht lästern. Ich will mit dem Rauchen aufhören. Hier in dieser paradiesischen Stadt. Keinesfalls mit den Serien. Mit Figuren, die wie das Kratzen im Hals sind, aber sie erzeugen keinen Krebs. Sage nicht, sie seien ungefährlich. Du glaubst ihnen. Also rennst du aus dem Haus. Aber du holst dir eine blutige Nase und eine blutige Seele, weil du ihnen geglaubt hast. Jedoch keine schwarze Seele. Meine Mutter rauchte. Sie war immer da. Sie hörte nie auf. Wie die Lust auf die Zigarette. Sie war nicht zu fassen. Wie der Rauch der Zigarette. Ebenso mein Vater. Er war immer da, wie das "Fumer tue" auf der Schachtel. Und meine Geschwister. Sie sind immer da. Wie die Raucher im Rauchereck, die rauchen und schweigen. Schweigend rauchen. Rauchend schweigen. Auch wenn sie das Rauchen schon lange aufgegeben haben. Ich der letzte bin, der die Stellung gehalten hat. Die Stellung bei ihnen. An ihrer Seite. Auf der sie immer noch schweigend stehen und stehend schweigen. Sie sind mehr oder wenig lädiert, aber auf Posten. Um nichts sagen zu müssen. Um der Wahrheit zu entkommen. Sie waren immer da. Das klingt wie ein Trost und wie eine Drohung. Wir fahren zu den Eltern und zu den Geschwistern, um wieder schweigend bei ihnen zu stehen. Hier muss nichts gesprochen werden. Alles versteht sich von selbst. Das Essen steht im Kühlschrank und Sonntagmittag ist der Tisch gedeckt, wenn man mit einem Kater von der Nacht aufsteht. Geh weg mit den Erkenntnissen. Das Medium ist die Botschaft. Der Kühlschrank ist voll und der Tisch ist gedeckt und man versteht sich ohne Worte. Das Bonseibäumchen der Erkenntnis auf der Kommode braucht wenig Wasser und noch weniger Beachtung. Es war eh ein Fehler. Welcher Idiot hat es mitgebracht. Du etwa? Dafür haben wir dich nicht in die Welt geschickt. Dafür nicht. Doch auch die längste Serie endet. Sie ist linear. Als Kreis wäre sie nicht ertragbar. So glücklich könnte Sisyphos gar nicht sein. Lust entsteht nur, wenn sie nicht in der Ewigkeit gefangen ist. Wenn sie einen Willen hat und nicht arrogant und ignorant gespenstisch ist. Dann ist selbst die toteste Mama noch lebendig und der toteste Papa. Dann sind die in der Seele hausende Mama und der im Herzen hausende Papa endlich tot und geben dich frei. Dann zwinkert dir die sexy Sekretärin zu. Es ist nur eine Serie. Ihr Ende ist nicht der Tod. Es ist das Leben. Das Leben, das will, und so oft nicht erkennt, was es da will. Das ist das Schöne an ihm. In ihm. Denn im Aufgeben dessen, was es aufzuheben verspricht, weil es doch so schwer ist, geben wir es gerade nicht auf, sondern erhalten es. So leicht und schön wie eine von der Liebsten überreichte Frühlingsblume. Riech mal! So schwer wie die allergische Reaktion darauf. Wir erhalten Sex & Crime und Opferfeste und Zeit und Orte und Horizonte und mit der Zeit und den Orten und den Horizonten auch Liebe. Die eigene. Ganz allmählich. Je mehr man loslässt. Vom Versprechen der Ewigkeit. Vom Versprechen der Unschuld ablässt. Nach dem getanen familiären Besuch wieder geht. Hier. Jetzt. Vielleicht. Kommt darauf an, was man will. Ich habe seit einer Woche keine Zigarette geraucht. Das ist noch keine Ewigkeit. Auch keine Kleine wie die 32 Jahre mit Zigarette. Das ist praktisch nichts. Quasi nicht erwähnenswert. Vielleicht will nächste Woche schon die Lust wieder ihre Ewigkeit. Also was will ich hier? Das liegt vor Augen. Denn das Medium ist die Botschaft. Und abgesehen davon? Das geht nun wirklich niemanden etwas an ;)
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