Samstag, 9. April 2011

ok, amicalement

ok, lieber Beam, ich sehe dein engagement. dein engagiertsein. du kämpfst für eine sache. die afrikanische sache. du willst darüber berichten. du willst, dass sich die dinge verändern. es sind da viele dinge im argen. so sehr im argen, dass man mitunter verzweifeln möchte. dass es mitunter anmutet, man sei ein don quichote, der gegen die windmühlen kämpft, wenn man versucht mit dem wort oder auch kleineren aktionen dagegen anzugehen. es ist edel. es zeugt von einer moral. von einem antrieb nach gutem im leben. nach einem besseren leben für andere. und leider zeugt eine solche haltung manchmal von einer überzeugung, die glaubt, sie wisse, was das beste für andere sei. vielleicht braucht man diese überzeugung, zu meinen, man wisse, was das beste für andere sei, um charismatisch sein zu können; um menschen hinter sich zu scharen, um sie in ein vermeindliches vorne zu bringen. gut ist das, wenn dieses vorne eine fessel zerschlägt, die alle mit unfreiheit geschlagen hat; wenn es eine fessel zerschlägt, die die meisten mit hunger geschlagen hat; wenn es eine fessel zerschlägt, die die unbequemen in fesseln gelegt hat. das blöde ist immer dann, wenn diese charismatischen gestalten vergessen, dass sie nur dazu da sind, leute hinter sich zu scharen, um die fesseln zu zerschlagen. sie bringen aber niemanden nach vorne. ist die fessel zerschlagen, müssen die leute schon selbst nach vorne gehen. jetzt ist es absolut kontraproduktiv, wenn sich einer hervortut und sagt, was das beste sei. denn jetzt bedeudet dies nichts anderes als die reetablierung der fessel. systeme sind mangelhaft. zum glück. in perfekten systemen ist kein platz für menschen. ein system wie die usa zb ist mangelhaft. aber dieses system garantiert, dass eine charismatische gestalt wie obama nicht zu sehr von seinem charisma getragen wird und alle sicherungen eines längerfristigen politischen funktionierens über bord wirft. in den mühlen der täglichen politischen arbeit werden selbst einem wie obama tatsächlich die flügel gestutzt. man sieht allmählich, wer er als politiker wirklich ist. der charismatiker gab vielleicht hoffnung und mut, das ist wichtig, aber der politiker, der nicht völlig versagt, der macht seine arbeit, die dazu dient, dass der karren nicht völlig an die wand fährt. hinter dem charisma wird die glaubwürdigkeit seiner arbeit sichtbar. und die ist dann doch eher so, dass ich die vernünftigkeit eines systems erkenne, das sagt, du hast maximal 8 jahre, um zu zeigen, wie du diesen job machst, dann ist ein anderer dran. es hat mich jetzt sehr weit weg geführt von unserer kleinen debatte über die namen, die künstlernamen, die man sich gibt, und das sich-einen-namen-machen, das man betreibt, wenn man sich in die öffentlichkeit begibt; wenn man den privaten raum verlässt. wenn man sich einen namen macht, indem man eine moral hochhält; wenn man sich einen namen macht, indem man sich engagiert; wenn man sich einen namen macht, indem man sich als exemplarisch preisgibt; wenn man sich einen namen macht, indem man kunst betreibt. in deutschland sind in den letzten monaten so viele in die öffentlichkeit getreten und haben sich einen namen gemacht. politisch haben sich die dinge geändert. weil in einem fernen land, in japan, mehrere katastrophen passiert waren. anhaltende katastrophen. leute haben sich hier moralisch-kämpferisch echauffiert. meistens hatte ich den eindruck, dass sie, wenn sie in die öffentlichkeit traten, bei einer demonstration, in einem leserkommentar, in einem artikel, in einer fernsehsendung, als moderator, zuschauer, wähler, internaut, fb-nutzer ehrenwerte ziele verfolgen. dass sie für das bessere in der welt kämpfen. dass sie verzweifelt sind, dass das schlechte in der welt stattfindet, sei es menschengemacht, sei es die gewalt der natur, die man wieder mal gering geschätzt hat und in bezug auf die man meinte, sie missachten zu dürfen. aber da war noch ein anderes, was sich zeigte, indem es sich verbarg. eine verzweiflung, die sich in eine hysterie kleidete, weil sie scheinbar nicht offenbar werden durfte. man schämte sich ihrer wohl. diese hysterie zeigte einen wunsch meiner meinung nach. insgeheim konnte ich mich des eindrucks nicht erwehren, dass die echauffierten, die so sehr von der angst vor der katastrophe gezeichnet schienen, sich diese katastrophe wünschten. dass sie geradezu die japaner dafür beneideten, dass sie der mittelpunkt ihres mitgefühles, ja mitleides sind. dass niemand mit ihnen mitleid, mitgefühl hat. dass sie, die deutschen, die wie die japaner durch die geschichte aufgrund ihrer geschichte einen makel tragen, nicht mittelpunkt einer weltweiten empörung sind, die sich gegen das böse schicksal wendet, das einem widerfährt. die deutschen haben momentan dieses böse schicksal nicht. sie sind nicht gegeißelt von den katastrophen, unter denen die japaner zu leiden haben. nicht das japanische volk. was ist ein volk? nein, die, die ihr haus verloren haben; die, die ihre familie oder freunde oder kollegen oder bekannten verloren haben; die, die ihre gesundheit, teile ihres körpers verloren haben; die, die ihr leben verloren haben. entweder einfach so oder im kampf dafür, den karren aus der scheiße zu holen, wissend, dass alle, die nicht hier und dabei sind, es auf ewig besser wissen werden und ihnen auf ewig die fehler vorhalten werden, die sie sicherlich machen. wer macht im angesicht des katastrophalen keine fehler? wer kämpft hier nicht gegen windmühlen? nur leider sind hier die windmühlen tatsächliche drachen. (und dass man mich recht verstehe: diese scheißdinger, die atomkraftwerke, müssen weg. basta. sie sind die pure hybris. der grund für ihre abschaltung darf aber nur in ihnen selbst liegen und nicht in irgendeiner instrumentalisierten katastrophe. man könnte natürlich sagen, scheiß auf den grund, hauptsache die teile gehen vom netz. aber wenn der grund nicht in ihnen liegt, werden sie nicht abgeschaltet. ich bin alt genug, dass ich mich sehr gut an tschernobyl und das danach erinnern kann. ich weiß: durch die instrumentalisierung erreicht man gar nichts, nicht das gerinsgte in hinsicht auf dieses leid oder die vermeidung von solchem leid in der zukunft. die hysterie aufgrund des leides von anderen wird nichts bewirken. sie bewirkt nur, dass einige, die sich der bekämpfung dieses leides angeblich verschrieben haben, ihre karriere ein bisschen nach vorne treiben. die machen sich keinen namen. sie verunglimpfen namen und werden über ihren eigenen irgendwann stolpern, denn das leid anderer für sich zu benutzen, um als ehrenwerter mann dazustehen, das hat sich noch immer gerächt, meistens allerdings leider viel zu spät).
lieber beam, du sprichst von dieser haltung. von einer moral. ich verstehe dich. ich weiß, was du meinst. und doch ist es ein unterschied, ob ich diese haltung - nenen wir sie beim namen: die haltung des selbstmitleides - jemandem vorwerfe, der sie zu kaschieren versucht oder jemandem, der offen über seine gefühle spricht. hier erreichen wir einen punkt, der wieder, nachdem mich mein diskurs in die usa und nach japan geführt hat, wieder sehr nah zu uns, zu unserem blog hier, führt. zu unserer spannenden und interessanten diskussion über den namen. du hast das gefühl, dass meine rede, mein wunsch, meine sehnsucht sich ein wenig in die richtung des selbstmitleides geneigt hätten. wohingegen ich den eindruck habe, dass du dich versteckst. dass die hehre haltung den hehren mann, den ich kenne und von dem ich weiß, dass sein integrität ihn nicht davor feit, schwächen zu haben, nicht dazu dient, sich mit fremden federn zu schmücken, und seien diese fremden federn eine jahrhundertealte tradition, eine akkumulierte weisheit, ein durch viele erfahrungen zur wahrheit geschleiftes wissen usw. masken, pseudonyme, haltungen, engagement haben nur dann einen sinn, eine bedeutung und tatsächlich auch eine berechtigung, wenn sie das eigene; wenn sie die person, die sie trägt, nach vorne bringen, dh in die öffentlichkeit bringen, damit sie verhandelt werden können, nicht kaschiert, nicht verurteilt. wenn sie diese person schlimmerenfalls nicht verleugnen. wenn sie diese person schlimmstenfalls nicht missbrauchen, um für angebliche ziele es sich mit den anderen leicht zu machen. sie zu manipulieren. sie in eine ecke zu stellen. ihnen eine fessel aufzuerlegen. zb die fessel des rechtmachens; die fessel des schweigens, oder sagen wir es gerade heraus, des maulhaltens; die fessel des kerkers, des eigenen todes. hier wären wir wieder bei revolutionären oder konservativen führern. lassen wir die erstmal dagingestellt sein. ich möchte ins kleinere zurück kommen. in das fastprivate. in die erziehung, die noch privat ist und schon nicht mehr, da sie bedingt, wie ein mensch in die welt hinaus geht. als ich kind war, gab es einen beliebten spruch, wenn man nicht machte, was die eltern wollten. die eltern wollten nicht erklären, was man machen sollte. sie wollten, dass man es einfach machte. dazu benutzten sie eben jenen vorwurf, der damals so ging: denke an die kinder in afrika, die verhungern. dagegen sind deine trotzigkeiten der blanke hohn. also iss gefälligst deinen teller leer; halte gefälligst mit deinen nervigen fragen den mund; stelle dich gefälligst ins eck und komme daraus nur hervor, wenn du deinen armen, geplagten eltern zu hand gehen kannst. sie merkten den widerspruch nicht. sie merkten nicht, dass sie es waren, die sich im selbstmitleid unlauterer methoden bedienten. übrigens nicht unähnlich so manchem antiatomengagement in deutschland. mag sein, dass die eltern wirklich das beste wollten, wie die antiatomengagierten, ihr ziel ist wirklich ein hehres, aber wenn man die mittel betrachtet, säht es schon das böse, das sie bekämpfen. es fordert das eigene leid, weil es wohl als das einzige mittel erscheint, das probat genug ist, dass der andere macht, was ich will. es leugnet das leid des anderen. es leugnet das leid, das tatsächlich vorhanden ist. egal wo. hier und jetzt. oder dort in japan. in tibet. in kirgistan. in libyen. in somalia. in der elfenbeinküste. in togo. in mexika. wo auch immer. immer gibt es angeblich ein leid, das schlimmer ist. immer könnte man sagen, zier dich nicht so, denn denen da oder denen dort geht es schlimmer als dir hier. deshalb mach gefälligst, was ich dir sage, denn ich weiß, was das beste ist. wer weiß, was das beste ist, kennt das gute und bessere nicht; der trägt das böse in sich. nun gut, wir tragen alle das böse in uns. die frage ist, ob wir es verleugnen; ob wir es kaschieren. ob wir saubermänner und sauberfrauen sein wollen, die zaubern können: falsche zaubermänner und falsche zauberfrauen, die unser leid, das tatsächliche, wegeskamotieren, um angeblich hehre ziele, die doch nur ihre eigenen sind, voran zu treiben. die nicht im traum daran denken, die fesseln zu durchschlagen; die in wahrheit nur daran denken, dass sie diejenigen sind, die die schlüssel zu diesen fesseln haben. es sind die künstler und die dichter, die das leid derer, die in fesseln leben - ob hier; ob sie selbst; ob die anderen; ob dort - öffentlich machen. die ihr eigenes leid öffentlich machen, um zu zeigen, dass es ok ist, davon zu sprechen. Man muss nicht erst das Leid der anderen instrumentalisieren. die großartige lydia daher sprach in einem vortrag von dem recht, in gedichten von der melancholie sprechen zu dürfen; in ihren gedichten von ihrer melancholie singen zu dürfen. nähme man ihr das recht, wäre ihre kunst keine mehr. davon singt auch die wunderbare romy haag in ihrem grandiosen lied "Huren & Engel" (http://www.youtube.com/watch?v=zaNNuV7kKhE ). kunst steht nicht unter kuratel. kunst darf nicht gesagt werden, wovon sie sprechen darf oder muss, oder wie sie das tun muss. das einzige maß, das zählt, sind diese beiden fragen hier: versucht diese kunst mich zu manipulieren wie früher die eltern, die mit den kindern in afrika ankamen (oder wer auch immer gerade als opfer brauchbar schien); versucht sie also zu kommandieren? oder versucht diese kunst mir tatsächlich etwas zu sagen? meinetwegen kann das durchaus eine hehre moral oder ein bewundernswertes engagement sein, wenn es nur nicht dazu dient, die person, die sich als botschafter und aktivist geriert, dahinter zu verstecken. ich möchte hier die bilder wolf boewigs (http://www.ermisch.de/wolf_boewig/ ) anführen, die von dem leid in der welt sprechen, ohne das eigene leid zu verleugnen und das leid derer, die nicht gerade im brennpunkt des katastrophalen leben müssen, in frage zu stellen. das engagement so vieler hier in deutschland war doch nichts mehr als künstliche aufregung, die das leid so vieler in japan gerade durch die zur schau gestellten betroffenheit negierte. hier wurde niemandem das haus in den abgrund gerissen; niemandem der körper verstrahlt. hier geht den leuten nur der arsch auf grundeis und sie haben das gefühl, dass es unangebracht ist, genau das zu sagen. aber genau das ist das richtige. es ist vielleicht nicht das beste oder das effizienteste oder das klügste, aber es ist die realität, die immer mit der eigenen geschichte zu tun hat. also ist die angst nicht die, es könne hier auch eine katastrophe stattfinden; sondern die angst ist die, dass hier nie mehr etwas stattfindet, das die augen die welt auf uns richtet und die stimmen der welt sagen lässt: das habe sie aber nicht verdient. wir schließen sie in unsere gebete. wir verzeihen ihnen alles, was sie je falsches getan haben. stellt man dieses selbstmitleid aus, dann wird es zu dem, was es ist: die ganz persönliche sentimentalität, die wir alle haben, die dann, ausgestellt, von mir aus in aller kitschigkeit, tatsächlich zum botenstoff echter gefühle werden kann und dann tatsächlich zum movens echten handelns. dann, und nur dann, wird leid gemildert. egal wo, egal wie. und dann ist es tatsächlich egal, ob man sich damit einen namen macht oder nicht. sowas von scheißegal. um aber für diesen moment, in dem das scheißegal ist, bereit sein zu können, ist das sonstige bemühen, sich einen namen zu machen, notwendig. nicht nur für künstler oder politiker. es ist das, was william james die expediency nennt. was ich schlecht das weiter nenne, das nicht-aufgeben. es ist das, was den dingen einen sinn gibt. ohne sie werden die dinge sinnlos. ohne sie ist es völlig schnuppe, wovon man spricht. ohne sie wird aller wille zur machtgeilheit, wird jeder namen oder jedes pseudonym zu einem eponym des bösen. wird jedes engagement zur dreisten arschlochmäßigkeit. ohne sie wird jedes korrekte verhalten zur ausgeburt des todes. dieses weiter findet sich in so vielem, in einer offenheit, in einem "komm mit", in einem "ok". Lieber Beam, ich höre aus deinem "attends encore un tout petit peu" dieses ok, auch wenn der vergleich mit dem leid afrikas es negiert. aber weil ich den mann, dich, kenne, der sich hinter diesen sätzen verbirgt, und der sich oft genug in einigen seiner gedichte und etlichen seiner sätze zeigt, weiß ich um dieses ok. es ist das gleiche ok, das ich in meiner antwort zum ausdruck zu bringen versuche, schon im ersten wort zum ausdruck zu bringen versucht habe und es auch noch im letzten tun werde. es ist das ok, das freundschaftlich daher kommt und daher kein blatt vor den mund nimmt und kein blatt vor den mund eines anderen klebt. es ist unser ok. es ist das ok derer, die sich für andere preisgeben. nicht um diesen anderen das preisgeben zu nehmen, sondern um von den dingen zu sprechen, die besprochen werden müssen. es ist also das hier: ok, amicalement. ok, amicalement.

1 Kommentar:

  1. na, so recht kann man dir diesmal nicht folgen...so viele Fäkalwörter... warum denn?
    Will man sich einen Namen machen, indem man zeigt, dass man zu einer solch unschönen Ausdrucksweise fähig ist. Wer schrieb diese Zeilen? Hinter wem versteckst du dich? Oder ist das dein wahres Ich?
    Es ist auch schon etwas seltsam, davon auszugehen, dass sich die Menschen eine Katastrophe wünschen...ich weiß nicht, woher du diese Vermutung nimmst. Ich hoffe, sie entspringt deiner Fantasie, aber nicht deinem eigenem Wunsch. quelle tristesse, sinon.

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